Wir möchten laut werden und möglichst viele Menschen erreichen, denn Inklusion geht uns alle was an! Demokratie braucht Inklusion!

    Wir sind die Initiative all in. Nach Abschluss unseres Sonderpädagogik Studiums sollte unser Weg ins Referendariat führen, wofür wir vom Kultusministerium Bayern postalisch eingeladen und beglückwünscht wurden. Jedoch verletzt Bayern das Menschenrecht auf inklusive Bildung, indem es zwar für Inklusion im Bildungssektor plädiert, diese jedoch nur scheinbar umsetzt und durch trügerische Maßnahmen aktiv verhindert. Das wollen wir nicht unterstützten und stattdessen die Bevölkerung aufklären, auf die Missstände aufmerksam machen sowie für die Menschenrechte einstehen.

    Um dies zu erreichen, haben wir ein Kollektiv gegründet, welches sich medial Aufmerksamkeit verschaffen möchte. Wir wollen sowohl das Kultusministerium in einem direkten Brief mit unseren Gedanken konfrontieren und zu einem öffentlichen Gespräch bitten, als auch über Instagram die Bevölkerung darüber informieren, was die Menschenrechte fordern, was Inklusion für uns alle bedeuten kann, als auch die Missstände in Bayern thematisieren.

    Unser Brief ans Kultusministerium vom 29.06.2023:

    Sehr geehrter Herr Staatsminister Prof. Dr. Michael Piazolo,

    sehr geehrte Frau Staatssekretärin Anna Stolz,

    sehr geehrter Herr Ministerialdirigent Walter Gremm,

    sehr geehrte Frau Leitende Ministerialrätin Eva Maria Schwab,

    sehr geehrter Herr Ministerialrat Klaus Gößl,

    sehr geehrter Herr Ministerialrat Hubert Killer,

    sehr geehrte Frau Ministerialrätin Kerstin Wollenschläger,

    sehr geehrte Lesende,

    Mit Abschluss unseres sonderpädagogischen Lehramtsstudiums in Bayern stellen sich uns hinsichtlich der Umsetzung von schulischer Inklusion grundlegende Fragen. Trotz der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009, laut der alle Kinder und Jugendliche das Recht auf inklusive Beschulung haben, sehen wir dieses fundamentale Menschenrecht noch nicht zufriedenstellend verwirklicht.

    Auf diesem Weg möchten wir Ihnen auf die Einladung zum Vorbereitungsdienst antworten.

    Wir sind eine Gruppe von Absolvent:innen des Sonderpädagogikstudiums an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Im Rahmen des Studiums durften wir uns damit beschäftigen, wie Kinder lernen, wie guter Unterricht gestaltet und wie inklusive Bildung umgesetzt werden kann.

    Wir setzen uns für einen demokratischen Differenzbegriff ein, in dem Wertschätzung von Individualität und kollektive Zugehörigkeit nicht im Widerspruch stehen und Differenzen nicht als Legitimation von Hierarchien oder Exklusion herangezogen werden (vgl. Prengel, 2019).

    Unser Inklusionsverständnis beruht auf den Prämissen Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt und betrachtet verschiedenste Heterogenitätsdimensionen als Bereicherung einer demokratischen Gesellschaft. Inklusion wird laut Ziemen (2017, 101) verstanden als „gesamtgesellschaftliche Herausforderung und bezieht sich auf alle Lebensbereiche, Lebensphasen und alle gesellschaftlichen Felder. Inklusion zielt auf die Überwindung von Marginalisierung, Diskriminierung und setzt auf die Anerkenntnis der Unteilbarkeit der menschenrechtlichen Basis. Als ein Prozess der Veränderung von Verhältnissen in der Gesellschaft, in Systemen, Organisationen, Institutionen und Gemeinschaft ist Inklusion kein herzustellender Zustand, sondern ein Orientierungsrahmen mit dem Ziel humanen und demokratischen Zusammenlebens, -lernens und -arbeitens“.

    In Deutschland gilt seit dem Jahr 2009 die sogenannte UN-Behindertenrechtkonvention (UN-BRK). In diesem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wird Inklusion, also die gleichwürdige, gleichwertige und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen (oder, Zitat UN-BRK: „allen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft“) an unserer Gesellschaft als Menschenrecht (betont) konkretisiert. Diese Konkretisierung ist erforderlich, weil Menschen mit Behinderung erhöht gefährdet sind, Diskriminierung und Ausgrenzung zu erleben, sowie ihre Menschenrechte noch immer nicht ausreichend Berücksichtigung finden.

    In der Konvention wird darauf verwiesen, dass diese Rechte unabhängig von einer Behinderung in allen Bereichen unseres Zusammenlebens, Zusammenlernens und Zusammenarbeitens umfassend/vollständig berücksichtigt werden müssen.

    So heißt es in Artikel 24 der UN-BRK zum Thema Bildung:

    Artikel 24 (1): „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderung auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen (…).“

    Artikel 24 (2): „Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass (a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Schulsystem ausgeschlossen werden (…), dass (c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden und dass (d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung gewährt wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu ermöglichen.“

    Mit dem Inkrafttreten der UN-BRK geht ein direkter Anspruch an das Bildungssystem einher. Deutschland ist verpflichtet, sich von einem ausgrenzenden Förderschulsystem abzuwenden und gemeinsames Lernen aller Kinder und Jugendlichen auf allen Ebenen zu ermöglichen. Jede Form von Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung aus dem Bildungssystem, jede Nicht-Berücksichtigung ihrer Unterstützungsbedarfe in Form von ausbleibenden angemessenen Vorkehrungen sowie jede bürokratische Hürde verletzen demnach Menschenrechte! Mit Blick auf das bayerische Schulsystem und unseren diversen Praxiserfahrungen sehen wir die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Verwirklichung inklusiver Beschulung als nicht ausreichend an.

    Gemeinsam werden wir uns in den nächsten Wochen mit entsprechenden Artikeln an die Öffentlichkeit wenden und unseren Standpunkt darlegen. Hierfür werden wir über die Social Media Plattform „Instagram“ mit Menschen in Kontakt treten und auch in Zusammenarbeit mit der Presse über unser Anliegen berichten. Unser Ziel ist es, fundiert für die Umsetzung von Inklusion als Menschenrecht zu argumentieren und auf die dazu bestehende Diskrepanz zum  „Bayerischen Weg der Inklusion“ (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 2022, 6) zu verweisen.

    Gerne würden wir diese Darstellung der Situation als Anregung zum Umdenken für möglichst viele Menschen zugänglich machen, auch für jene, die sich auf Grund der praktizierten Separation (bisher) von diesem Thema unberührt fühlen, aber natürlich auch Selbstvertreter:innen, Politiker:innen und Lehrpersonen.

    Wie kann das bayerische Schulsystem dem Menschenrecht auf inklusive Bildung gerecht werden? Gerne würden wir mit Ihnen in einen offenen Austausch kommen über Maßnahmen auf dem Weg hin zu einer inklusiven und demokratischen Gesellschaft. Wir freuen uns über gewinnbringende und konstruktive Dialoge über die Gestaltung eines der UN-BRK entsprechenden Schulsystems, unter dessen Rahmenbedingungen wir in Zukunft gerne als Lehrpersonen arbeiten werden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Initiator:innen:

    Katharina Arbogast, Carolin Felber, Marthe Haas, Lea Höfer, Elena Masuhr, Veronika Nützel


    Quellen:

    Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (2022): Bayerns Schritte auf dem Weg zur Inklusion. Inklusion durch eine Vielfalt schulischer Angebote. Konzept – bisherige Leistungen bis zu Beginn des Schuljahrs 2022/23.

    Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen (2008): Die UN-Behindertenrechtskonvention. Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Schattenübersetzung.

    Kerstin, Ziemen (2017): Lexikon Inklusion. Göttingen, Bristol: Vandenhoeck & Ruprecht.

    Prengel, Annedore (2019): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. 4. Wiesbaden: Springer VS.

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