Es ist an der Zeit Danke an unseren Kultusminister zu sagen

    Ein Beitrag von unserem Vorstandsmitglied Günes Seyfarth.

    Heute möchte ich aus ganzem Herzen Danke sagen.
    Danke an unseren Kultusminister Dr. Piazolo, der wieder Mal zeigt, wie „gut“ die Schule unsere Kinder auf die Zukunft vorbereitet.

    Doch jetzt nochmal von vorne.

    Im März 2020 kam es gefühlt ganz plötzlich: Der Lockdown wegen der Corona-Pandemie.

    Alle waren erstmal in Starre, denn sowas hatten wir noch nicht erlebt. Mehrere Jahrzehnte schon leben wir ohne Krieg, die Wirtschaft schwingt immer nach oben, die Menschen leben sicher und frei und zu Essen gibt es auch genug – von der Mangelernährung durch Fehl- und Überschussernährung mal abgesehen.

    Aber ja, es geht uns gut. Wie gut, erkennen wir durch den Lockdown. Wir widmen uns dem Sport, schnappen viel frische Luft und entdecken uns als Familie wieder.

    Die Sorge vor diesem Virus ist da, aber sie tangiert uns nicht. Denn wir leben in einem Land, was gut dafür gerüstet ist.
    Wir haben Krankenhäuser, Fachpersonal und Beatmungsgeräte. Etwas wenig von allem. Aber auch da, geht es uns besser als anderen Ländern. Die deutsche Gründlichkeit, was ich als Gastarbeiterkind geboren, schon immer bewundert habe, ist auch hier enorm kritisch, wenn nicht alles bei 100% steht.

    Die Schule scheint sichtlich schockiert. Den Sommer erleben wir gefühlt entweder kaum oder komischen Unterricht. Lehrer*innen und Erzieher*innen geben ihr Bestes, doch auch sie sind nicht darauf vorbereitet gewesen. Es fehlt an KnowHow für digitale Prozesse und Online-Materialien und die Bedienung von Hardware. Irgendwie hangeln wir uns durch.
    Das Wetter ist gut, die Hoffnung ist groß und die Gelder, die uns versprochen wurden in Form von Erstattung oder Unterstützung fließen – mehr oder weniger.
    Wie gesagt: 100% Ist was anderes, aber irgendwie geht es uns wohl doch gut genug, wenn uns Zeit und Muße bleibt, die fehlenden % zu bemängeln.

    Nach dem Sommer sind wir alle voller Hoffnung und Solidarität. Die Schulen und Kitas bleiben offen. Das entlastet uns Eltern enorm. Doch irgendwie hängt das Damokles-Schwert über uns. Die Inzidenz-Zahlen klettern unaufhörlich in die Höhe, mehr und mehr Städte ergreifen Maßnahmen. Wie in einem Krimi baut sich der Spannungsbogen auf: Wir wissen, dass es unabwendbar ist. Die Schulen werden schließen und wir Eltern werden wieder zu Teilzeitlehrern und Spielgefährten – der Beruf oder die Selbstständigkeit müssen irgendwie mitziehen. Von Ängsten wegen Jobverlust reden wir nicht. Denn der Lehrplan muss durchgezogen werden. Egal wie.

    Und jetzt ist es soweit.

    Bereits drei Tage vor Weihnachten wurden die Schulen geschlossen – OHNE Distanzunterricht. Hm, wie wichtig kann Schule schon sein, wenn nach so einer verrückten Zeit, drei Tage unwichtig sind? Können auch drei Prüfungen unwichtig werden? Nein, natürlich nicht. Denn Noten müssen sein. Sonst wissen wir nicht, was unsere Kinder können. Denn nur durch die Noten scheinen sie einen Wert zu haben. Dieser schickt sie dann auf unterschiedliche Schularten, weil anscheinend schon mit 10 Jahren klar ist, was aus ihnen mal wird. Sie haben ja nur 90 Jahre noch vor sich. Gut, dass das Schulsystem das schon so früh aufgrund von ein paar Fächern einschätzen kann.
    Aber gut, darum geht es nicht.

    Die ganze Zeit dachte ich mir:
    Wo ist der Mut?

    Das Jahr ist doch eh gelaufen, was es um das Wissen nach Lehrplan geht. Weil der Lockdown droht werden schnell noch Noten gemacht. Hauptsache man hat welche. Vermittlung von Kompetenzen und Wissen, die verinnerlicht werden, Fehlanzeige. Nicht falsch verstehen, die Lehrer*innen und Erzieher*innen geben ihr Bestes, doch wieso zeigt der Kultusminister nicht einfach mal Mut und setzt ein Jahr aus? Schüler*innen und pädagogische Mitarbeiter*innen könnten mit oder ohne Eltern sich um ihre Beziehungen zueinander kümmern, es könnte miteinander philosophiert werden, oder einfach Bücher am laufenden Band mit ausschweifenden Gesprächsrunden gelesen und besprochen werden. Der Geist könnte sich öffnen, man hätte Zeit mal nach links und rechts außerhalb des Hamsterrads zu schauen und zu entdecken, was es da auf der Welt gibt: (digitale) Brieffreundschaften um die Welt entständen, Forschung und Entwicklung nach eigenen Interessen, tiefsinniger Austausch, die Phantasie könnte wachsen.

    Und ab September (oder wann auch immer wieder Normalität möglich wäre, wenn wir das überhaupt noch wollen), könnten alle wieder da weitermachen, wo sie im Lehrplan aufhörten: Die Klassen blieben zusammen. Gebe es keinen Aufschrei, denn die Schule wollen viele so schnell wie möglich hinter sich lassen – allen voran die Eltern? Vielleicht. Doch, wenn man bedenkt, dass unser Schulsystem rund 140 Jahre alt ist und Menschen seit Entstehung dessen schon 20 Jahre älter werden, was würden dann ein bis zwei Jahre ausmachen? Eigentlich nichts. Doch die Lebens- und Beziehungsqualität könnte sich verbessern. Keiner muss ins Burnout, soziale Isolation oder in Leistungsdruck gehen. Wir könnten atmen und leben.
    Doch genug der Utopien. Denn darum geht es nicht.

    Worum es geht ist:

    Ich als Mama von drei schulpflichtigen Kindern war wochenlang sauer. Sauer, dass wir immer kurzfristig gesagt bekamen, wie es nächste Woche weiterging. Sauer, dass am Lehrplan als Struktur festgehalten wird und viele Kinder nicht mehr mitkamen. Sauer, dass es um Noten als Beweis des Arbeitsnachweises und nicht als Qualitätsmesser für die Vermittlung der Inhalte ging. Sauer auf so vieles.

    Doch am Morgen des ersten Tages mit Distanzunterricht im neuen Jahr kam mir unter der Dusche die Erkenntnis. Alle Wut löste sich auf einmal auf. Die miese Stimmung, die mich wie eine graue Wolke in den Comics meiner Jungs verfolgte verschwand und die Sonne wieder anfing zu scheinen.

    Denn ich spürte wahnsinnig viel Dankbarkeit. Dankbar, dass unser Kultusminister seiner Haltung treu blieb. Dass er festhält an einem sich über viele Jahrzehnte bewährtem Schulsystem. Er allen Inkompetenzen zum Trotz festhält am Distanzunterricht über digitale – manchmal überforderte – Medien. Und die Notengebung weiterhin fest im Auge hat – egal, was diese aussagen wollen. Faschingsferien – anscheinend unnötig.

    Dankbar, denn es fiel mir auf einmal wie Schuppen von meinen Augen. Meine Kinder hangeln sich irgendwie durch, passen sich jede Woche irgendwelchen Neuigkeiten an und lernen, wie sie sich zusammenholen, was verstreut in etlichen Systemen liegt. Sie lernen, wie man geduldig mitmacht, was andere vordenken, um sich dann mit ihren Freunden auszutauschen. So bauen sie und wir als Eltern auch unsere Resilienzfähigkeiten aus.
    Danke, denn das bereitet uns super auf eine Weltreise vor, wo sie lernen können, woher sie wollen.

    Von Abwanderung der deutsch ausgebildeten Fachkräfte spreche ich hier nicht.

    Günes Seyfarth – 11.1.2021

    Günes Seyfarth - Vorstand Eine Schule für Alle in Bayern e.V.

    Ein Blogbeitrag von unserem Vorstand Günes Seyfarth

    Günes Seyfarth wusste schon als Kind, dass sie andere darin unterstützen will, ihr Potential zu entfalten. Sie ist bei uns im Vorstand von Eine Schule für Alle in Bayern e.V. als Schriftführerin und bringt sich mit Ihren Ideen an vielen Stellen ein. Bei allem was Sie anpackt, liegen ihr Nachhaltigkeit, Bildung, Kinder und Lebensmittelwertschätzung ganz besonders am Herzen.
    Sie ist Mitgründerin der Krippe Karl & Liesl e.V. in München Giesing und Gründerin von Mamikreisel, einer Online-App, um gebrauchte Baby- und Kindersachen zu tauschen, verkaufen und verschenken. Sie ist Gründerin von Foodsharing München und berät bei den MacGyvers GründerInnen, StartUps und kleinere Unternehmen.

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