Resumée der Schulschließungen
    Zukunftsmelodien einer neuen Schule

    Ein Blogbeitrag von Anna Fröhlich, Schulleiterin einer dreizügigen Grundschule in NRW.

    Blogbeitrag Anna Fröhlich

    Nun sind elf Wochen seit den Schulschließungen in NRW vergangen und als Schulleiterin einer dreizügigen Grundschule liegt es auf der Hand diese Zeit zu reflektieren. Was ist in dieser Zeit schulisch alles passiert? Treten wir auf der Stelle? Wo stehen wir momentan? Wo wollen wir als Schule in Zukunft stehen?

    Direkt zu Beginn der Schulschließungen habe ich für meine Schule eine Schulplattform ins Leben gerufen, die uns bis zum heutigen Zeitpunkt treue Dienste in der schulischen Kommunikation (Team, Eltern, SchülerInnen), in der Terminstruktur, der Stundenplanorganisation und vor allem erste Schritte in der digitalen Arbeit im Distanzlernen leistet.

    Mein Team hat sich seit der ersten Stunde der Schulschließungen sehr aktiv um eine Aufrechterhaltung und Intensivierung der Bindung zu den einzelnen Kindern und deren Familien bemüht. Nicht nur Briefe und Emails wurden geschrieben, sondern mehrfach die Woche telefoniert, über Messengersysteme gechattet und nach einem kurzen Findungsprozess innerhalb der Schule wurden VideokonferenzTools genutzt. Viel Wert wurde auf den direkten Kontakt zu den Familien gelegt, so dass beispielsweise eine Kollegin „ihre“ Kinder wöchentlich am Gartenzaun empfängt, neues Material austeilt, smalltalk hält und dadurch genau sehen kann, wie es den Kindern geht. Andere KollegInnen wiederum installierten feste Bring- und Abholtermine vor dem Schulgebäude; verliehen Material und kamen ins Gespräch mit den Eltern. Grundschule muss weiterhin den Schwerpunkt auf die Habtik und den Umgang mit Lernmaterialien legen.
    „Bindung vor Bildung“ ist und bleibt ein wichtiger Grundsatz in der Schularbeit. Nur über Beziehungen und durch gemeinsame Erlebnisse entstehen Kontakte, die wiederum zu Vertrauen führen.

    Wöchentliche virtuelle Treffen in den einzelnen Jahrgängen und im GesamtTeam, mit der Schulsozialarbeit, der Steuergruppe, dem Leitungsteam des Offenen Ganztags und der Elternpflegschaft wurden durch mich schnell und verlässlich installiert. Die JahrgangsstufenTreffen sind mittlerweile wieder live und bereichern meine Sicht auf das operative Geschäft.

    Wichtig ist und bleibt der klare Blick auf die Aufgabenverteilung. Dort muss die Stundenzahl, eine Klassenleitung, die Fächerkombination, eigene Kinder und Familie und die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe gesehen werden. Das stellt für mich bis zum heutigen Tag eine große Herausforderung da. Nur im stetigen Austausch miteinander, in Einzelgesprächen und im Geben und Nehmen kann dies funktionieren.
    Wir mussten Hygienemaßnahmen umsetzen, passend dazu unsere Räumlichkeiten anpassen, die Schule als Wohlfühlort verändern und unseren SchülerInnen viel Vertrautes nehmen.

    Wir waren auf all dies nicht vorbereitet. Keiner war das.

    Wir könnten meckern.
    Wir könnten warten bis die Stadt, die Kommune, das Land uns adäquate Mittel zur Verfügung stellt.
    Wir könnten stehenbleiben und Stillstand produzieren.

    Wir haben uns für ein proaktives Handeln entschieden und fühlen uns damit manchmal überlastet, überfordert und ausgelaugt. Dennoch machen wir weiter, bilden uns fort, installieren Mikrofortbildungen, arbeiten noch enger im Team zusammen und lassen uns nicht unterkriegen.

    Wir verleihen unsere wenigen Endgeräte an Familien, die sie dringend benötigen. Wir schalteten eine digitale Abfrage, um unsere Arbeit an die Bedürfnisse der Einzelnen anzupassen.

    Lasst uns Mutausbrüche wagen!

    Nun muss ein Aktionsplan her und weil wir einmal wieder im Stich gelassen werden, stellen wir diese erneut für unser eigenes kleines Grundschulssystem auf, gleichen uns ab, sind kritisch aber dabei konstruktiv.
    Ich nehme Überforderung und Unsicherheit wahr.
    Ich fühle den Drang zu Neuem.
    Ich höre in die Anliegen meiner Schulfamilie hinein.
    Ich hadere, ich schwanke, ich lasse mich inspirieren und neu motivieren.
    Ich greife mit meinem Team nach unseren Sternen für eine neue Art von Unterricht: Hybridunterricht

    Ein positiver Aufschrei nach verlässlichen Strukturen war in unserer Schulfamilie in den letzten beiden Woche hörbar. Dazu gab es genaue Abstimmungen im Team, mit dem Lehrerrat und allen Beteiligten.
    Wann, wo und vor allem wie sollen die Aufgaben erledigt werden? Dazu arbeiten wir seit vielen Jahren mit unseren Wochenplänen, die unseren SchülerInnen eine genaue Struktur vorgeben; in dieser sie jedoch freie Wahlmöglichkeiten haben. Die Bewältigung der Aufgaben muss an die neue Zeitsituation angepasst sein.

    Eine verlässliche Erreichbarkeit der Klassenleitungen ist wichtig und wird durch angegebene Fernunterrichtsstunden, Eltern- und Kindersprechstunden ermöglicht. Dadurch entlasten sich die KollegInnen und arbeiten nicht gefühlt rund um die Uhr und bieten zu später Stunde noch passende VideoCalls für die Familien an. Es wird keine vorgegebenen Fächer im Fernunterricht geben. Dieser wird auf die Aktualität der einzelnen Lerngruppen angepasst. Die LehrerInnen schauen, wo genau Bedarf ist, was bereits mi Präsenzunterricht angestoßen wurde, wo noch nachgesteurt werden kann.

    Unsere Krisenerkenntnisse fließen in eine neue Idee von Schule:

    • Wie muss ein Hybridunterricht und seine angelegten Aufgaben aussehen?
    • Lernerautonomie und Selbstständigkeit fördern
    • Lernorganisation
    • Fortbildungsangebote für das Kollegium (Installieren von Mikrofortbildungen am TeamTag, Anlegen eines padlets mit hilfreichen Fortbildungen in analoger und digitaler Form)
    • Hohe Transparenz, Wertschätzung und eine erweiterte Feddbackkultur in der Schulfamilie

    und vor allem:

    • Mutausbrüche wagen und eine neue Fehlerkultur leben

    Welche das sind? Kann ich nicht sagen. Was ich aber aus vollster Überzeugung sagen kann: jeglicher Mut ist willkommen und den unterstütze ich so gut ich eben kann.

    Eine Teamstruktur ist wichtiger denn je, eine Vernetzung richtiger denn je!

    Mein Name ist Anna Fröhlich. Ich bin Schulleiterin einer dreizügigen Grundschule in NRW, komme ursprünglich aus dem jahrgangsgemischten Lernen und bin voller #mutausbrüche. Mein Herz schlägt für Bindung vor Bildung und Möglichkeiten das agile Lernen weiter auszubauen.

    Anna Fröhlich

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