Rechenschwäche ist keine Krankheit

    Ein Blogbeitrag von Sabine Omarow

    Was ist eine Rechenschwäche/Dyskalkulie?

    Rechenschwäche

    Rechenschwäche

    Die Begriffe

    Es gibt, wie für die LRS, einige Begriffe für die Benennung der Rechenschwäche. Laut Prof. Hans-Dieter Gerster von der Pädagogischen Hochschule Freiburg sind alle Begriffe wie Dyskalkulie, Rechenstörung und Rechenschwäche wissenschaftlich nicht erklärt. Deshalb ist es in vielen Bundesländern viel leichter einen Nachteilsausgleich für die LRS zu bekommen, als für die Rechenschwäche.

    Ist die Rechenschwäche eine Krankheit?

    Oft wird den Betroffenen suggeriert, dass es sich bei einer Rechenschwäche um eine Krankheit handelt. Kinder, die denken, sie hätten eine Krankheit oder gar eine unheilbare Krankheit, werden sich aufgeben.

    Wenn ein Kind/Mensch erst einmal von sich denkt, dass es/er Mathe nicht kann, wird es/er es in der Regel Mathe nicht mehr lernen oder eben immer große Probleme damit haben. Es sei denn, es kommt ein anderer Mensch, der sagt: „Geh, hol dir Hilfe und probiere es doch noch einmal!“
    Die Anerkennung einer Dyskalkulie ist oft an den IQ gebunden
    Eine Dyskalkulie wird nur anerkannt, wenn das Kind/der Betroffene einen bestimmten IQ-Wert hat. Auch bei Kindern mit Erkrankungen wird oft eine Dyskalkulie nicht anerkannt.

    Die Erfassung des IQ-Wertes ist umstritten

    Die Erfassung des IQ-Wertes ist an sich umstritten, denn dieser Test ist oft ungenau, manchmal sogar falsch. Er erfasst immer nur den Tageszustand eines Menschen.

    Nehmen wir mal an, das Kind fühlt sich nicht gut, hat Angst vor der Prüfungssituation oder mag den Prüfer nicht, dann hat es schlechte Karten. Es kann unausgeschlafen sein, Stress haben, es gibt so viele Parameter, die eine Rolle spielen. Dazu kommt, dass das Kind so oder so eine Rechenschwäche hat, die sich negativ auf das Resultat auswirken muss. Oft genug hat ein Kind nach einem Lerntraining einen höheren IQ als vorher.

    Meistens werden nur die Ergebnisse abgefragt

    Das größte Problem sehe ich bei diesen Tests darin, dass oft nur Ergebnisse erfragt werden, oft jedoch nicht, wie der Betroffene auf das Ergebnis kommt. Subjektive Bewältigungsstrategien, fehlerhafte Gedanken, falsche Rechenwege und die schulischen Bedingungen werden kaum berücksichtigt und erforscht. Es wird nicht geschaut, wo genau die Probleme beginnen und wie schnell das Kind vielleicht doch in der Lage ist, die Mathematik zu erfassen. Auch Entwicklungsverzögerungen können eine Rolle spielen, die es dem Kind zu diesem Zeitpunkt noch schwierig machen, Mathe zu lernen. Wenn das Kind nicht richtig begleitet wird, hat es in den ein/zwei/drei Jahren so viel verpasst, dass es Hilfe benötigt, um die Rückstände aufzuarbeiten.

    Alle Kinder mit Rechenschwierigkeiten brauchen eine Förderung

    Davon abgesehen, Kinder mit einer geringeren Intelligenz benötigen natürlich ebenso eine gute Förderung. Da die Intelligenz kein starrer Wert ist, was wir inzwischen wissen, und sich bei Kindern sogar verändert, ist diese Anhängigkeit vom IQ-Wert in meinen Augen abzuschaffen.

    Die Vorurteile

    Leider gibt es immer noch sehr viele Vorurteile, die Kinder mit einer Rechenschwäche betreffen. Eine Rechenschwäche wird nicht vererbt. Wie die Vererbung funktioniert, wissen wir inzwischen. Auch hier hat sich unser Wissen stark verändert. Natürlich kann eine Rechenschwäche „vererbt“ werden, wenn die Kinder zu Hause hören: „Ich hatte auch schon eine Rechenschwäche!“ „Mathe konnte ich auch nie.“ Wenn Kinder zusätzlich in der Schule Ähnliches hören, glauben sie daran: „Du kannst das einfach nicht.“ „Mathe ist nicht dein Fach.“ „Du kannst ja was mit Sprachen studieren, denn Mathe liegt dir nicht“

    Die Rechenschwäche ist keine Krankheit, Dummheit oder Faulheit

    Eine Dyskalkulie/Rechenschwäche ist keine Krankheit, ist keine Dummheit oder Faulheit, kann nicht an typischen Fehlern erkannt werden, hat man nicht ein Leben lang. Sie hört jedoch nicht einfach von selbst auf. Die Betroffenen benötigen die richtige Unterstützung, andere Methoden, mehr Zeit und jemanden, der an sie glaubt. So können sie ihre Rechenschwäche überwinden.

    Eine große Anzahl der Betroffenen (Kinder/Jugendlichen/Erwachsenen) haben „nur“ eine Rechenschwäche, weil sie bereits an den Grundlagen gescheitert sind, sich oftmals falsche Rechenstrategien und Rechenwege angeeignet haben. Besonders das Minusrechnen führt bei vielen dazu, dass sie frustriert sind, Angst vor Mathe bekommen und schließlich oft eine Abneigung gegen Mathe. Natürlich gibt es Betroffene mit einer schweren Rechenschwäche, ihre Anzahl ist jedoch weitaus geringer. Und auch ihnen kann geholfen werden.

    Wenn Lehrer selber Mathe nicht mögen

    Wenn Lehrer selber Mathe nicht mögen und es trotzdem unterrichten müssen, dann werden sie keine Freude beim Unterrichten haben. Das kann gravierende Folgen haben. Nur wenn der Lehrerende selber sein Fach liebt und es mit Freude unterrichtet, kann er diese Freude auf die Schüler übertragen.

    Was kann getan werden, um diesen Kindern zu helfen?

    Kann das Kind die Zehnerzerlegung auswendig? – Nein? Dann beginnt hier die Arbeit. Die Zehnerzerlegung ist die Grundlage allen Rechnens.
    Kennt sich das Kind gut auf der Hundertertafel aus? Weiß es, wie das Zahlensystem aufgebaut ist?
    Kann das Kind Zehner und Einer unterscheiden? Kann es über den Zehner rechnen?
    Beherrscht es die richtigen Rechenwege?

    Ein Kind, das eine Rechenschwäche hat, muss sich mit Mathe beschäftigen und lernen, wie es geht. Wenn die Erwachsenen dem Kind zeigen, wie es geht, die Freude am Fach wecken, wenn die Erwachsenen an das Kind glauben, wird es in den allermeisten Fällen seine Rechenschwäche überwinden können.

    Kurzbeschreibung. Die Ursachen für eine Rechenschwäche sind sehr vielschichtig:

    1. Vorurteile
    2. Glaubenssätze der Eltern (Ich kann das nicht, also kannst du das auch nicht.)
    3. Glaubenssätze der Lehrer (Du kannst das nicht. Du bist für Mathe zu dumm.)
    4. Schlechte Ausbildung der Lehrer
    5. Lehrer mögen das Fach selber nicht
    6. Schlechte Lehrbücher mit verwirrenden Inhalten (zu viele Rechenwege werden gleichzeitig angeboten)
    7. Zu schnelles Vorangehen, zu wenig Übung, zu wenig Wiederholungen
    8. Falsche Rechenwege, falsche Strategien
    9. Angst vor Mathe/Blockaden
    10. Fehlendes Selbstvertrauen
    11. Schlechte Förderung
    12. Zu frühe Einschulung/Entwicklungsverzögerungen
    13. Zu viel Unterricht versäumt

    Eine Rechenschwäche ist keine Krankheit, keine Faulheit und keine Dummheit. Ein Kind, das eine Rechenschwäche hat, muss sich mit Mathe beschäftigen und lernen, wie es geht. Wenn die Erwachsenen dem Kind zeigen, wie es geht, die Freude am Fach wecken, wenn die Erwachsenen an das Kind glauben, wird es in den allermeisten Fällen seine Rechenschwäche überwinden können.

    Sabine Omarow

    Sabine Omarow

    Jedes Kind und jeder Mensch will von Natur aus lernen!

    Wenn ein Kind nicht lernen will, hat das Ursachen!

    Ich bin eine betroffene Mutter. Als meine Tochter in die Schule kam, stellten sich bereits nach 2 Wochen große Probleme in Deutsch und Mathe ein. Ein Leidensweg begann, auf dem ich viele Jahre nach Hilfe und Unterstützung suchte. Ich las alles, was es zu dem Thema gab und besuchte Fortbildungen für Lehrer, obwohl ich keine Lehrerin war.

    Als meine Tochter die 10. Klasse besuchte, war ich arbeitslos, aber angefüllt mit Wissen über die Lese-Rechtschreib- und Rechenschwäche. Ich beschritt einen neuen Weg – studierte Psychologie und wurde über ein Fernstudium Legasthenietrainerin.

    Seit 2003 war ich in Berlin selbstständig und betreute bis 2016 zuletzt 98 Schüler in zwei Praxen. Seit August 2016 lebe und arbeite ich in Paderborn.

    In der Zeit, als ich meine Tochter begleitete, erkannte ich, dass es nicht eine Methode, nicht DIE Methode geben kann. So verschieden die Kinder sind, so vielfältig müssen die Methoden sein, mit denen man den Kindern helfen möchte.

    Ich entwickelte eigene Lernmaterialien, viele Lernspiele und ein eigenes Lern-System, das SINN-System. Es ist ein offenes System, denn es kann immer wieder mit Neuem bereichert werden.

    Inzwischen bereite ich den 4. LRS-Kongress, Onlinekongress vor, in dem es natürlich um das Lernen geht, vor allem darum, wie das Lernen leichter gelingen kann.

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